Sehr geehrter Herr Gutmann, Sie führen eine Praxis für Psychotherapie in Mainz. Bitte stellen Sie sich und Ihr Tätigkeitsfeld einmal kurz unseren Lesern vor.
Ich führe eine Praxis für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz und bin als ayurvedischer Ernährungsberater sowie als Yoga-Lehrer tätig. Ich vermische diese Tätigkeiten nach Möglichkeit nicht, d.h. wer zu mir aufgrund psychischer Probleme kommt, der bekommt eine Psychotherapie und keine Ernährungsberatung oder yogatherapeutischen Empfehlungen, es sei denn, dies wird explizit gewünscht. Zum Ende einer Therapie hin können solche Empfehlungen – wenn der Klient dies wünscht – jedoch eine Rolle spielen.
Seit wie vielen Jahren sind Sie bereits in Ihrem Beruf tätig, und was hat Sie dazu bewegt ihn zu ergreifen?
Die Zulassung zum Heilpraktiker für Psychotherapie habe ich 2010 erworben, war jedoch zuvor schon über 20 Jahre lang als freier Mitarbeiter für verschiedene psychotherapeutische und psychiatrische Praxen tätig. Zudem führte ich sehr häufig Fallsupervisionen für niedergelassene Psychotherapeuten durch. Irgendwann stieß ich zufällig auf die Möglichkeit, über die Zulassung zum Heilpraktiker für Psychotherapie selbst therapeutisch tätig zu werden und habe mich dann sofort zur Prüfung angemeldet.
Sie arbeiten vorwiegend nach den Methoden der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und setzen auch Techniken der Verhaltenstherapie und Psychoanalyse ein. Sie beziehen in Ihrer Arbeit jedoch auch die Perspektive der Ayurvedischen Psychologie mit ein. Können Sie uns diese etwas genauer erläutern?
Durch die ayurvedische, von der indischen Philosophie geprägten Sichtweise auf den Menschen können wir ganz allgemein unserem westlichen Denken neue Aspekte hinzufügen. Auf die Psychologie bezogen ergeben sich neue Perspektiven darauf, wodurch ein Mensch angetrieben oder gehemmt wird, wie und warum bestimmte Störungsbilder entstehen bzw. wie und warum ein Mensch „aus dem Gleichgewicht gerät“.
Wo sehen Sie die besonderen Stärken der ayurvedischen Psychologie?
Im Ayurveda steht allgemein die Individualität des Einzelnen im Vordergrund. Es gibt keine Patentrezepte, die für alle gelten. Und: Der Ayurveda ist nicht dogmatisch.
Psychosomatik und Somatopsychologie, d.h. die wechselseitigen Wirkungen zwischen Psyche und Körper, werden in der westlichen Medizin erst seit relativ kurzer Zeit systematisch erforscht. Für den Ayurveda ist die Einheit von Körper und Seele/Geist schon immer ein wesentlicher Grundgedanke und jede umfassende ayurvedische Behandlung berücksichtigt dies.
Wie gestaltet sich eine Beratung oder Therapie, wenn ich zu Ihnen komme? Was erwartet mich?
Nach einem „Kennenlern-Gespräch“ von ca. 20 Minuten werde ich entscheiden, ob ich Ihnen helfen kann und eine Therapie bei mir sinnvoll ist. Im Anschluss werden wir uns dann einige Male treffen und jeder von uns kann prüfen, ob ein für beide Seiten zufriedenstellendes „Arbeitsbündnis“ zustande kommt. Die Therapieform, die ich anwende, ist die Gesprächstherapie.
Mit welchen Anliegen kommen die Menschen besonders häufig auf Sie zu?
Depressionen, Ängste, Lebenskrisen, Burnout.
Können Sie einen ayurvedisch psychologischen Tipp geben, um im Alltag für die Erhaltung einer gesunden Psyche zu sorgen?
Allgemeingültige Tipps zu geben, liegt mir nicht – denn was dem Einen gut tut, kann dem Anderen schaden. Ich verstehe den Wunsch nach einem „Rezept“, das jeder immer anwenden kann, aber ich fürchte, das gibt es nicht. Allgemein lässt sich höchstens sagen, dass jeder auf sein inneres Gleichgewicht achten sollte – wie dies zu erreichen ist, ist jedoch eine individuelle Angelegenheit.
Worin sehen Sie die besonderen Stärken von alternativen Heilmethoden bzw. ganzheitlichen Gesundheitskonzepten im Allgemeinen?
Alternative Heilmethoden haben den großen Vorteil, dass sie eine Störung aus ganz anderen Perspektiven wahrnehmen und behandeln können, wenn die Behandlungsmöglichkeiten der „Schulmedizin“ ausgeschöpft sind. Ich bin allerdings immer sehr skeptisch, wenn bestimmte Heilverfahren mit einem dogmatischen Anspruch auftreten. Auch von vielen Angeboten, die eher der Esoterik zuzurechnen sind, rate ich ab.
Was ist Ihnen wichtig im Umgang mit Ihren Klienten?
Sie ernst zu nehmen und sie „dort abzuholen, wo sie sind“.
Ihr Lebensmotto in einem Satz?
Bleibe flexibel!
Wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview!