- "Zeichnen hinterlässt Spuren, die leiblich spürbar sind."
Nicole Félicia Brémond Kunsttherapeutin Heilpraktikerin für Psychotherapie KunstOrtung in 13357 Berlin für weitere Infos > zum Profil |
Frau Brémond, Sie sind Kunsttherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie und führen Ihre Räumlichkeiten für Kunst & Therapie „KunstOrtung“ in Berlin. Bitte stellen Sie Ihr Tätigkeitsfeld einmal kurz vor. Wofür steht „KunstOrtung“? Kunst und Therapie sind zwei komplementäre Lebensfelder die ich in meinem Arbeitsraum, den ich « KunstOrtung » genannt habe, vereinige. Das Wort „Ortung“ steht für: sich orten, orientieren, und aus dem Lateinisch „Oriens“ sich nach dem Licht richten. Es ist ein Ort der „Innenschau“. Ich biete eine Orientierung an, während der sowohl die künstlerische als auch die kunsttherapeutische Gestaltung stattfinden. Im Mittelpunkt meiner Begleitung steht die Methode des „Geführten Zeichnens“. Dieser meditativ-kreative Weg ist non-verbal und Körper fokussiert. Er hat sich aus der Leibtherapie entwickelt. Seit Kurzem biete ich noch eine zweite Methode an: das „Sandspiel“ nach Dora M. Kalff. Beide Vorgangsweisen sind tiefenpsychologisch orientiert. Ich arbeite vorwiegend in Einzelsitzungen, biete aber auch für bestimmte kreative Prozesse, themenbezogene Workshops für Gruppen an. Was hat Sie dazu bewegt Ihren heutigen Beruf zu ergreifen? Ich habe bildende Kunst in Aix-en-Provence und in Berlin studiert. Eine große Lebenskrise und Veränderungen im familiären Bereich im Jahr 2003 haben meine Werte bezüglich meines Lebensweges auf die Probe gestellt. Eine Zeit der Veränderung folgte, in der ich andere Kommunikationsebenen gesucht habe. Dies führte später zu einer Zusatzqualifikation als klinische Kunsttherapeutin und als Heilpraktikerin für Psychotherapie. 2012 habe ich meine Praxis gegründet. Wie würden Sie Ihre Arbeitsphilosophie beschreiben? Der Mensch ist im Mittelpunkt, so wie er ist – so wie die Linie in der Zeichnung. Wir arbeiten zusammen mit Allem was da ist: Körper, Seele, Geist. Es geht um die Grundhaltung der Annahme der jeweiligen Dinge des Lebens. Der Fokus richtet sich auf das Material, auf die gegebene Alltagssituation, auf die Wünsche und natürlich auch auf die Widerstände. Was uns das Hier und Jetzt anbietet wird wahrgenommen, wertgeschätzt und integriert. Intuition-Vertrauen-Sicherheit werden gefördert und genährt. Die Kunsttherapie bildet einen wesentlichen Schwerpunkt Ihrer Arbeit. Wo sehen Sie die besonderen Stärken der künstlerischen Arbeit in der Therapie? Die Stärke der künstlerischen Arbeit greift jenseits der Wertigkeiten unserer konzeptuellen Gedanken, sie liegt in der Authentizität des Ausdruckes, der endlich eine Gestaltung und einen Platz bekommen kann. In diesem Face à Face geschieht das Erkennen, das zu einer Neuordnung führt. Diese intime Zusammenarbeit mit sich selbst und mit der begleitenden Person bilden den Rahmen in dem sich ein solcher Prozess entwickeln kann. Diese Möglichkeit, den Fluss psychischer schöpferischer Energie anzuregen, führt zu einer Weiterentwicklung, die Ressourcen-orientiert ist. Die Beziehung zu sich selbst und der eigenen Umwelt bekommt eine andere Qualität. Sie zeigt sich als Bewusstwerdung, Zufriedenheit, offene Haltung. Mit welchen Anliegen oder Problemen kann ich mich insbesondere an Sie wenden? Die Menschen, die mein Angebot aufsuchen, die sich an mich wenden, sind an einer Schnittstelle Ihres Lebens angekommen. Bis jetzt ist es eine Zielgruppe von Erwachsenen, die Begleitung und Unterstützung für eine Weiterentwicklung suchen und die ihren Genesungsprozess aktiv mitgestalten wünschen. Es gibt natürlich unterschiedliche Gründe, die sich auch periodisch zeigen. Schicksalsschläge, biographische Krisen, Künstlerische Blockaden, Sinnsuche und Spiritualität. Manchmal ist etwas nicht im Lot, ohne dass es benannt werden kann, es kann nicht begriffen werden. Diese Namenlosigkeit kann dann kunsttherapeutisch Gestalt annehmen und einen angemessen Platz erhalten. Mit welchen kunsttherapeutischen Ansätzen arbeiten Sie? Ich möchte den Kunstwissenschaftler Michael Bockemühl zitieren: „Ohne Wahrnehmung, keine Welt“ Den kunsttherapeutischen Ansatz mit dem ich arbeite, möchte ich als meditativ bezeichnen. Wir nehmen wahr, körperlich, mental, emotional. Zur Wahrnehmung gehört Bündelung, Konzentration. Wir verstehen nur was wir selbst erfahren. Durch die Atmung werden wir geführt, bewusst. Wir halten inne, die Achtsamkeit ist nach innen gerichtet. Wir werden still und wir entzerren. Die Bilder dürfen sich zeigen. Der Fokus ist auf den Prozess gerichtet, vorrangig. Es ist ein Teil der integralen Heilkunst die, innere Wertorientierung, eine Balance zwischen äußeren Anforderungen und innere Ansprüche vermittelt und es ist im Sinn der Salutogenese, die umfassend Prozess- und Ressourcen-orientiert ist. Eine Aussage von Ihnen ist: „Die Zeichnung, die Linie als Mittelpunkt des Lebens.“ Können Sie uns mehr zum Thema Zeichnen in der Kunsttherapie sagen? Ja, zeichnen ist schön. Die Zeichnung ist eine primäre und unmittelbare bildnerische Ausdrucksform. Zeichnungen sind starke Indikatoren der Sensibilität und der Intuition. Die Linie zeigt Spur einer Bewegung, Dynamik, Richtung, Spannung, Ablauf in der Zeit, sie schafft Verbindung, Beziehung zum Geistigen, sie verbindet Himmel und Erde. Sie füllt und belebt den Raum. | Zeichnen hinterlässt Spuren, die leiblich spürbar sind. Die Wahrnehmung, die Sinne, das Spüren werden angesprochen. In dieser behutsamen Bewegtheit zeigen sich die Urformen, die universell sind und uns lebenslang begleiten. Das sind die Gebärdenspuren wie Kreis, Welle, Schale, Arkade, Punkt, Senkrechte, Dreieck, Spirale, Kreuz und Quadrat. Sie sind von elementarem symbolischem Ausdruck. Die sensible Nerven-Sinnes-Tätigkeit wird angeregt. Das absichtslose dynamische Zeichnen mit seiner spielerischen Bewegungen führt uns intuitiv und regt die schöpferische heilsame Energie an. Ich betrachte es als Seismograph der Seele. Wie gestaltet sich das kunsttherapeutische Arbeiten wenn ich zu Ihnen komme? Was erwartet mich? Die erste Sitzung ist da um sich kennenzulernen, um herauszufinden ob wir gemeinsam arbeiten wollen. Sie ist auch unverbindlich und beinhaltet das Anliegen, die Methode, den Zeitraum und die Kosten. Methode des Geführten Zeichnens Dann führe ich Sie in die Methode des Geführten Zeichnens ein. Auf großen Papieren, mit beiden Händen und mit geschlossen Augen versucht der Zeichnende, sich dem Spiel der Hände auf dem Blatt zu überlassen, sich von der Bewegungslust und von spontanen Impulsen „führen“ zu lassen, (nach Ortrud Deuser). Dieser erste Schritt zeigt manchmal ganz andere Themen, als die, die angesprochen worden sind. Danach folgt ein Gespräch, das für uns beide klärt wie wir vorgehen wollen. Die längere regelmäßige Zusammenarbeit besteht aus Materialerfahrung, aus gezielten Übungen auch mit anderen Formen von Zeichnung, aus klientenzentrieten Gespräche nach C. Rogers, aus Meditations- und Atemübungen. Manchmal wird auch geschrieben. Zeichnen und Schreiben sind eng miteinander verbunden. Therapeutischer Umgang und gute Bedingungen sind wichtig, aber die Essenz ist das gegenseitiges Vertrauen, Neugierde, Geduld. Die Zeit ist ein wichtiger Faktor in dem Sie Ihren eigenen Rhythmus entdecken. Sie können entsprechend die Erfahrungen und die Veränderungen die daraus entstehen, kalibrieren und integrieren. In diesem geschützten Raum ist Mitgefühl ein Leitfaden. Können Sie anhand eines Beispielfalls verdeutlichen, wie sich das Zeichnen oder die kreative Arbeit im Leben auswirken kann? Ich kann den Fall einer Person nennen, die einen großen menschlichen Verlust erlitten hat. Ihre Trauer war erdrückend, und sie war kaum noch in der Lage ihren Alltag zu bewältigen. In der beständigen Wiederholung zeichnerisch mit sich in Beziehung zu treten, entstand eine neue Situation: Bewegung. In diesem Bewegtwerden und bewegen, kam sie nach und nach aus Ihrer Erstarrung heraus. Dann zeigten sich die Emotionen, die Formen, Farben, die Namen bekamen. Sie stabilisierte sich. In diesem ganzen Bild-Prozess, erbaute sich und formte sich die Person neu. Durch die schöpferische Ver-Äußerung kann ein Heilsprozess beginnen. In dieser klaren und ungezwungenen Form von Zeichnen fällt die Bewertung weg, die Kognitiven Fähigkeiten durch das beidhändige Ausführen regen Körper und Geist an. In dem Moment des Tuns, lassen wir los und lassen wir uns innerlich führen. Es ist fein und zart, vergänglich. Das schöpferische Potential der Psyche wird angekurbelt, die Energie richtet sich auf. Sie sagen, Kunst ist „notwendig“. Können Sie das genauer erläutern? „Kunst und Therapie“ Die Kunst im Kontext von „Kunst und Therapie“ gibt uns die Mittel die anerzogenen Normen, die festgefahren Pfade zu erkunden und sie zu verlassen wenn wir es wollen. Auch andere Welten zu entdecken. Es ist ein offener Zustand, der sich immer wieder erneuert. Es ist die Ressource, die jeder in Anspruch nehmen kann, sowohl aktiv wie auch rezeptiv. Es ist eine sinnliche Erfahrung, die befreiend und heilend ist. Sie bieten auch verschiedene Seminare an. Worum geht es hier und an wen richten sie sich? Workshops Die Workshops richtet sich an Erwachsenengruppen, die an Selbsterfahrungen, an Material-Experimentieren, an Grenzen-Ertasten interessiert sind. Intuitives Zeichnen ist ein guter Einstieg in die eigene Kreativität. Meistens sind sie themenbezogen um einen Schwerpunkt zu bilden. Was ist Ihnen wichtig im Umgang mit Ihren Klienten? In der gemeinsamen Zeit die ich mit meinen Klienten verbringe, achte ich sehr auf Nähe und Abstand - einfach intuitiv und klar erfassen was wolltuend und angebracht ist. Es ist eine Herzens-Angelegenheit, die ich mit Professionalität und tiefer Freundlichkeit verantworten möchte. Ich achte auf eine klare Kommunikation, auf Aufrichtigkeit und darauf das 90 Minuten Setting gut abzuschließen. Was lieben Sie besonders an Ihrer Arbeit? Die sinnliche Erfahrung und die Transformation, die sie bewirkt. Es begeistert mich immer wieder! Die Zeit bekommt eine andere Dimension, ich werde Zeugin einer Wandlung, die mich zutiefst berührt. Danach kehrt die Normalität zurück und dennoch ist etwas geschehen. Obwohl die Theorie wie ich sie beschrieben habe ernst klingt, hat das Spielerische einen großen Platz, es regt die kreative Entfaltung an, in der das Individuum sich selbst entdecken kann. Im Sandspiel, ist dies besonders deutlich. Wir werden wieder zum Kind und fangen zu spielen an. Spontan entstehen Traumwelt, Selbstdarstellung, Zeichnung. Ihr Lebensmotto in einem Satz? Die kleinen Dinge des Lebens zu würdigen, da wo der Same der Kreativität und des Glückes keimt. Wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview! |