Sehr geehrter Herr Schmid, Sie führen eine Praxis für klassische Homöopathie in Holzkirchen (Oberbayern) Was hat Sie dazu bewogen diesen Beruf zu ergreifen? Nach dem Abitur hatte ich kurz überlegt Medizin zu studieren, mich dann aber doch für die Informatik entschieden. Danach habe ich viele Jahre in der Software-Entwicklung gearbeitet, aber irgendwann hat sich dann das Interesse an der Biologie des Menschen und an der Medizin durchgesetzt. Wie würden Sie Ihre Arbeitsphilosophie beschreiben? Menschen dabei helfen, gesund zu werden. Und dafür braucht es nicht immer ein Medikament. Sie halten auch regelmäßig Vorträge zum Thema Homöopathie. Hier liegt es Ihnen v.a. am Herzen, die Grundlagen und Gesetze der Homöopathie zu erklären, da viele Menschen nicht wissen, was Homöopathie eigentlich meint. Was sind die häufigsten Missverständnisse? Und können Sie uns die Homöopathie und Ihre Grundprinzipien hier etwas genauer erklären? Ich war schon überrascht, als ich in Gesprächen feststellte, was manche Menschen alles unter Homöopathie verstehen. Sie wird teilweise immer noch verwechselt mit der Natur- oder Pflanzenheilkunde oder anderen alternativen Therapien. Auch wird der „Homöopath“ oft mit dem „Heilpraktiker“ gleichgesetzt. Ich fühlte mich gedrängt, „Aufklärungsarbeit“ zu leisten. zur Homöopathie: Die Homöopathie ist eine völlig eigenständige Therapieform. Ihre Entdeckung begann vor etwas mehr als 200 Jahren mit der Arbeit von Dr. Samuel Hahnemann. Sie ist damit vergleichsweise jung. Seit den Anfängen wurde sie ständig weiterentwickelt und der Erfahrungsaustausch unter den führenden Homöopathen war immer schon international. die Grundprinzipien: Am Anfang stand die Entdeckung des Ähnlichkeitsprinzips, das der Homöopathie auch ihren Namen gab. Das griechische „hómoion páthos“ heißt so viel wie „ähnliche Krankheit“. Das Ähnlichkeitsprinzip meint folgenden Sachverhalt: „Eine Substanz, die eingenommen wird, bewirke bei einem (gesunden) Menschen Symptome. Geringste Mengen dieser Substanz sind aber in der Lage, einen (kranken) Menschen zu heilen, wenn sich dessen Krankheit in ähnlichen Symptomen zeigt.“ Ein einfaches Beispiel dafür: Jeder weiß, was beim Zwiebelschneiden passiert – die Nase juckt und die Augen tränen. Allium cepa (die Küchenzwiebel) wird deshalb in der Homöopathie als Schnupfenmittel verwendet. Bei seiner Arbeit machte Hahnemann dann noch eine weitere Entdeckung. Er stellte fest, dass bei Mitteln, die er wegen ihrer Giftigkeit mehrfach verdünnen musste, die therapeutische Wirkung des Mittels sogar stärker wurde. Voraussetzung dafür war allerdings das kräftige Verschütteln in der Flasche. Für Hahnemann wurde dadurch das eigentliche therapeutische Potential eines Mittels erschlossen und er nannte den Vorgang deshalb „Potenzieren“. Wie richtig seine Erklärung war, zeigt sich auch darin, dass Substanzen, die im Normalzustand nur wenig Einfluss auf den Körper haben, wie z. B. Kalium, Kalzium, Kochsalz oder bestimmte Pflanzen, durch das Potenzieren zu wirkungsvollen Heilmitteln werden. Und das Erstaunliche dabei, dies in einer Potenz bzw. Verdünnung, in der chemisch gesehen die Ursprungssubstanz nicht mehr nachweisbar ist. Wie ist die Homöopathie im Vergleich zu anderen alternativen Heilkonzepten abzugrenzen? Der Unterschied besteht zum einen in der Therapie mit potenzierten Substanzen, zum anderen aber auch durch das Ähnlichkeitsgesetz. Dies hat die Homöopathie sozusagen exklusiv. Damit ist klar, dass die Therapie mit Schüsslersalzen oder die anthroposophische Medizin keine Homöopathie ist. Außerdem betrachtet die Homöopathie die Symptome nicht als die Krankheit an sich, sondern nur als die Zeichen einer Krankheit. Es hat also wenig Sinn ein Symptom durch eine Therapie zum Verschwinden zu bringen. Richtig gefährlich wird das dann, wenn auf diese Weise Symptome unterdrückt werden, die eine „Ventilfunktion“ für den Körper darstellen, durch die er verhindern kann, dass die Krankheit tiefer in den Körper wandert und dort vielleicht lebenswichtige Organe befällt. Wo sehen Sie die besonderen Stärken der Homöopathie? Was kann sie therapeutisch leisten? Welche Beschwerden oder Probleme kann ich mit dieser Therapieform angehen? Eine besonderen Stärke liegt schon darin, dass die Homöopathie den Menschen von Anfang an als eine Einheit aus Körper, Geist (Verstand) und Seele (Gefühle) gesehen hat. Das ist heute vielleicht selbstverständlich, aber zu Hahnemanns Zeit betrachteten Ärzte den Menschen als eine sehr komplizierte Maschine. Dass sich diese drei Bereiche gegenseitig beeinflussen, sollte bei der Therapie berücksichtigt werden. Ein Mensch hat auch nicht einfach eine Krankheit (z.B. Migräne), sondern er hat diese Krankheit auf seine ganz individuelle Art und Weise. Da hilft es sehr, wenn der Homöopath beim Symptom „Kopfschmerzen“ unter ca. 200 Mittel wählen kann. So kann er die weiteren Symptome des Patienten berücksichtigen, denn der klassische Homöopath gibt dem Patienten ein einziges Mittel, nicht eines gegen die Kopfschmerzen und ein zweites gegen die Übelkeit und ein drittes gegen den Durchfall etc. Und eine weitere Stärke stellt dann noch die Möglichkeit dar, das Mittel in der für diesen Patienten und die Art seiner Krankheit geeigneten Potenz zu verordnen. Die therapeutischen Grenzen der Homöopathie: Es muss nicht extra betont werden, dass auch die Homöopathie nicht alle Krankheiten heilen kann. Für Hahnemann waren die Möglichkeiten der Homöopathie bei chronischen Erkrankungen dann erreicht, wenn eine Krankheit bereits zu substanziellen Veränderungen am Körper geführt hatte. Aber schon um 1880 waren englische Homöopathen erfolgreich in der Rückbildung und Heilung von gutartigen Tumoren. Doch dafür braucht der Körper Zeit, die bei bösartigen Tumoren nicht vorhanden ist. Bei akuten Erkrankungen, ja sogar in Notfallsituationen wird heute an manchen Kliniken von Ärzten homöopathisch therapiert. Was kann behandelt werden? Grundsätzlich können alle Beschwerden homöopathisch behandelt werden, seien sie körperlicher oder psychischer Art. Da man als Homöopath ja den kranken Menschen und nicht die Symptome seiner Krankheit behandelt, erleben Patienten immer wieder mal, dass sich in beiden Bereichen positive Veränderungen ergeben. Fast konkurrenzlos ist der Einsatz der Homöopathie bei unklaren Beschwerden im körperlichen oder psychischen Bereich. | Ist die Homöopathie für jeden Menschen gleichermaßen geeignet, oder ist dies möglicherwiese auch eine Frage des „Typs“? Von einem „Typ“ kann man nicht sprechen, aber es gibt Menschen, die nur schwach oder auch gar nicht auf ein Mittel reagieren. In diesem Fall hilft vielleicht ein homöopathisches Mittel als „Wegbereiter“. Es gibt aber auch Patienten, Männer wie Frauen, die zu stark auf die Mittel reagieren. Hier muss der Homöopath die Dosis entsprechend verringern. Können Sie uns vielleicht an einem Beispiel verdeutlichen, wie sich die homöopathische Behandlung auswirken kann? Ein Patient ist mit unklaren Beschwerden gekommen, z.B. im Verdauungs- oder Bewegungsapparat oder auch solchen psychischer Art. Vielleicht ist auch noch die Situation am Arbeitsplatz und im Privatleben angespannt. Dann kann es vorkommen, und ich weise die Patienten vorher schon darauf hin, dass sie, in den Tagen nach der ersten Einnahme des Mittels eine Art Erkältung durchmachen, vielleicht mit leichtem Fieber, Übelkeit, Abgeschlagenheit. In der alternativen Medizin bezeichnet man diesen Vorgang als „Ausleitung“. Früher sprach man bei einer Erkältung auch vom „Katarrh“, was vom griechischen „Katharsis“ abgeleitet ist und so viel wie „Reinigung“ bedeutet. Danach fühlen sich die Patienten meist schon deutlich besser. Falls noch nötig, wird die Therapie danach fortgesetzt. Auch wenn primär ein körperliches Leiden behandelt wird, kann auch die Psyche ganz deutlich davon profitieren. Ein Mensch, der davor angespannt war sieht die Dinge plötzlich gelassener oder empfindet seine Probleme nicht mehr als bedrückend. Es kann auch eine Entwicklung zur weiteren geistigen Reifung angestoßen werden, wovon der Patienten zunächst vielleicht nur auffallende Träume wahrnimmt. Kinder, die gehemmt waren, sind danach freier und vitaler, andere wiederum, Stichwort „ADHS“, werden umgänglicher und besonnener. Wie lange dauert es bei einer homöopathischen Behandlung bis sich eine Verbesserung einstellt? Darauf gibt es keine pauschale Antwort, da dies von vielen Faktoren abhängt. Zum Beispiel: Wie alt ist der Patient? Handelt es sich um eine akute oder eine chronische Erkrankung? Wie lange besteht die Erkrankung bereits? Bestehen noch weitere Krankheiten? Wurde die Krankheit „vererbt“? Bei akuten Krankheiten wie z.B. Erkältungen, kann man mit einer Besserung innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen rechnen. Können Sie uns die häufig zitierte „Erstverschlimmerung“ etwas genauer beleuchten? Die „Erstverschlimmerung“ gibt es in verschiedenen Ausprägungen. Eine habe ich im Beispiel oben schon als „Ausleitung“ beschrieben. Es kann aber vorübergehend auch zur Verstärkung der bestehenden Symptome kommen, oder es zeigen sich Hautreaktionen. Oder es zeigen sich Symptome früher durchgemachter Krankheiten, aber schwächer und nur für kurze Zeit. Für den Homöopathen ist eine „Erstverschlimmerung“ immer ein Zeichen dafür, dass er mit seinem Mittel richtig liegt oder zumindest nicht weit davon entfernt ist. Wie gestaltet sich im Allgemeinen die erste Beratung bzw. Behandlung wenn ein Patient zu Ihnen kommt? Was erwartet ihn? Zu Beginn einer Behandlung führe ich mit dem Patienten ein Erstanamnese-Gespräch. Vielleicht kommt er schon mit der Diagnose eines Arztes und dem Namen seiner Krankheit. Ich frage nach weiteren Symptomen. Ich frage, welche Krankheiten er früher durchgemacht hat oder in seiner Familie vorkommen. Und ich frage mich: „Was ist das für ein Mensch?“. Ich muss ihn in seinem Wesen erkennen, über die aktuellen Beschwerden hinaus, wegen denen er gekommen ist. Wenn mir das gelingt, habe ich gute Chancen das richtige Mittel für ihn zu finden. Eine Erstanamnese kann bei einer chronischen Erkrankung zwei Stunden und länger dauern. Weshalb glauben Sie, suchen immer mehr Menschen auch Unterstützung im Bereich der alternativen Heilmethoden? Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Da ist zum einen die Mutter, die für ihre erkältungsgeplagten Kinder eine Alternative zur Antibiotika-Therapie sucht. Oder die Eltern eines Jungen, bei dem „ADHS“ diagnostiziert wurde und die eine Ritalin-Therapie vermeiden wollen. Dann gibt es den Erwachsenen mit unklaren Symptomen, der sich selbst fragt, ob die Ursache in der Psyche oder im körperlichen Bereich liegt. Und dann gibt es natürlich auch die Patienten, die gleich klarstellen, dass alle bisherigen medizinischen Versuche erfolglos waren, und die jetzt den Rest ihrer Hoffnung auf die alternative Medizin setzen. Was ist Ihnen wichtig im Umgang mit Ihren Klienten? Ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Was lieben Sie besonders an Ihrer Arbeit? Zum einen die fast detektivische Suche nach der Ursache der Beschwerden. Und dann natürlich den Moment, wenn Patienten mir erste positive Reaktionen auf die Therapie melden. Ihr Lebensmotto in einem Satz? Die Umwelt in der ich lebe schöner machen und für die Menschen da sein, die meine Hilfe brauchen. Warum „klassische“ Homöopathie? Warum dieser Zusatz? Die Homöopathie ist keine einfache Therapie und das richtige Mittel zu finden fordert die Geduld des Patienten und des Therapeuten. Das war schon immer unangenehm. Man weiß natürlich schon lange, welche Mittel bestimmte Organe stimulieren. Da lag der Gedanke nahe, mit einem Mix dieser Mittel bestimmte Organe oder Organsysteme zu behandeln. Das nennt sich dann „Komplexhomöopathie“. Eine Ursachenforschung ist dann nicht nötig. Das spart Zeit. Aber mit dem was Hahnemann entdeckte und lehrte und mit der Arbeit verantwortungsbewusster Homöopathen hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. In diesem Bereich gibt es inzwischen völlig unseriöse Angebote wie etwa die Abnehm- und Allergie-Globuli, die Depressions- und Durchfall-Globuli, die Einschlaf- und Kreislauf-Globuli und natürlich die Potenz-Globuli. Bei Bagatell-Erkrankungen wie z.B. „Erkältungen“ mag man damit Erfolg haben, aber bei den oben genannten Anwendungen können die Ursachen so zahlreich und verschieden sein, dass ein Komplexpräparat nicht zu verantworten ist. Welches Komplexmittel wird man denn einem Patienten empfehlen, dessen Probleme eher im psychischen Bereich liegen? Die Wohlfühl-Globuli vielleicht? Wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview! |
Homöopathie - ihre Grundprinzipien und was sie zu leisten im Stande ist
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