Ich denke, dass es bei der Behandlung eines Menschen ein unschätzbarer Vorteil ist, sich nicht nur die auftretenden Symptome anzuschauen und Maßnahmen dagegen zu treffen. In vielen Fällen kann gerade der "Blick über den Tellerrand" hinaus ins umgebende System überraschende Einblicke und somit wichtige Informationen für eine langfristig positive Veränderung im Leben der betroffenen Person bringen.
Was hat Sie dazu bewegt Ihren heutigen Beruf zu ergreifen? Gab es eine besonders prägende persönliche Erfahrung für Sie in diesem Zusammenhang?
Während meiner Berufstätigkeit in einer Jugendwohngruppe hatte ich die Gelegenheit, an einem Seminar zur systemischen Arbeit teilzunehmen. Da mich diese Art der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sehr beeindruckt hat, entschloss ich mich, die Weiterbildung zur Systemischen Beraterin zu absolvieren. Inspiriert durch die positiven Auswirkungen auf meine Arbeit wollte ich tiefer in die systemische Arbeit einsteigen und schloss auch noch die Weiterbildung zur Systemischen Therapeutin an. Für beide Abschlüsse erhielt ich die Zertifizierung durch die Systemische Gesellschaft.
Was überzeugt Sie besonders an Ihrem Therapieschwerpunkt?
Systemische Beratung oder Systemische Therapie bedeutet für mich, die Problematik meiner Kundinnen nicht losgelöst, sondern im Kontext des Auftretens zu betrachten. Ich sehe mich dabei als Begleiterin des Prozesses, in welchem die betroffenen Personen für sich passende Lösungen finden und dabei auch ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten (wieder) entdecken können.
Für wen eignet sich diese Therapieform besonders?
Grundsätzlich können sich alle Ratsuchenden an mich wenden, die in einer schwierigen Situation stecken und dafür auf der Suche nach neuen Lösungsmöglichkeiten sind.
Können Sie uns vielleicht von einem Beispielfall berichten, und wie sich diese Therapieform für diese Person ausgewirkt hat?
Ich möchte an dieser Stelle nicht auf einen bestimmten Fall eingehen. Vielmehr habe ich sehr häufig die Rückmeldung bekommen, dass bei meinen KundInnen ein Umdenken stattfand. Außerdem schilderten viele, dass Ihnen bereits zu Beginn der Zusammenarbeit die "Schwere" der momentanen Situation genommen wurde und sie stattdessen Zuversicht entwickeln konnten.
Welche Menschen kommen auf sie zu und suchen Ihre Hilfe? Gibt es bestimmte Gruppen von Menschen denen Sie nicht helfen können?
Im Grunde genommen gibt es für die systemische Beratung und Therapie keine Kontraindikationen. Aus diesem Grund kommen Personen mit den unterschiedlichsten Anliegen auf mich zu.
Dazu zählen zum Beispiel:
- Menschen, die sich in einer Phase der beruflichen oder privaten Neuorientierung befinden
- Einzelpersonen, Familien oder Paare, die Wege aus einem Konflikt finden wollen
- Familien, in denen sich Mitglieder überfordert fühlen oder in denen Veränderungen anstehen
- Kinder und Jugendliche, die Verhaltensauffälligkeiten zeigen
- Menschen mit Depressionen, Angststörungen oder psychosomatischen Erkrankungen
Bei bestehender Selbst- oder Fremdgefährdung muss ich eine stationäre Therapie empfehlen oder
direkt in die Wege leiten. Schwierig oder sogar unmöglich ist eine systemische Beratung oder -therapie dann, wenn eine Person kein Anliegen hat oder keine Notwendigkeit einer Therapie sieht.
Wo sehen Sie die größte Herausforderung in Ihrer Arbeit?
Der grundlegendste und oft auch schwierigste Teil meiner Arbeit ist die Auftragsklärung. Das heißt, um helfen zu können, ist es erforderlich zu wissen, was der Kunde durch eine Zusammenarbeit mit mir erreichen möchte und welche Ziele er sich für die Zukunft gesetzt hat. Im Laufe des Beratungs oder Therapieprozesses kann es durchaus auch passieren, dass dieser Auftrag immer wieder geklärt und gegebenenfalls angepasst werden muss. Ähnlich herausfordernd ist es, eine Person in Beratung oder Therapie zu haben, die auf den ersten Blick keinen offensichtlichen Auftrag und kein Anliegen hat. In einem solchen Fall ist es besonders erfreulich, wenn es anhand meiner Unterstützung im ersten Schritt zu einer Auftragsklärung und danach zu einer Lösung der Problemsituation kommt.
Worin sehen Sie das größte Geschenk in Ihrer Arbeit? Was bereitet Ihnen besondere Freude daran?
Das größte Geschenk für mich ist, die Rückmeldung zu erhalten, dass ich meinen KundInnen durch meine professionelle Begleitung des Beratungs- oder Therapieprozesses hilfreich sein konnte.
Was ist Ihnen wichtig im Umgang mit Ihren Klienten?
Ich als Systemische Beraterin und Therapeutin sehe den Menschen als autonomes Wesen, der Experte seiner eigenen Person, seiner Lebensgeschichte und der Beziehungen, in denen er lebt, ist. Dies bedeutet auch, dass die Ideen und Vorstellungen der KundInnen ernst genommen und respektiert werden.
Ausgehend von der Annahme, dass jeder Mensch über Stärken, Fähigkeiten und Ressourcen verfügt, wird im Rahmen der systemischen Beratung und Therapie gezielt an der (Wieder-) Entdeckung dieser Dinge gearbeitet, um zu einer individuell passenden Problemlösung zu kommen. Ergänzend dazu liegt der Schwerpunkt einer Beratung oder Therapie nicht auf der Suche nach Ursachen, sondern auf der Suche nach möglichen Lösungen. Außerdem ist es wichtig, das Thema oder Problem eines jeden Kunden im Kontext seines Auftretens zu betrachten, da jeder Mensch sich in einem sozialen Umfeld bewegt und somit bewusst oder unbewusst auf das Verhalten anderer
Personen reagiert.
Ihr Lebensmotto in einem Satz?
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen (Goethe).
Was können Sie, was andere nicht können? Weshalb sollten Klienten zu Ihnen in Beratung oder Therapie kommen?
Kunden profitieren bei mir nicht nur von meiner systemischen Ausbildung im Bereich der Beratung und Therapie. Hinzu kommen meine Kenntnisse durch die Ausbildungen zur staatlich anerkannten Erzieherin und zur staatlich anerkannten Heilpädagogin. Dies und meine langjährige Berufstätigkeit in diesem Bereich ist zum Beispiel für Kunden mit familiären Schwierigkeiten ein großer Vorteil.
Wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview!